Volontariat des Vorstands 2021

Von August 2021 bis Februar 2022 absolvierte Susanne Lau, unsere Vorstandsvorsitzedende, ein Volontariat in Gambia. Sie begleitete unser Gambia-Team bei seiner Arbeit und lernte Land und Leute kennen. Im Folgenden erhalten Sie einen Einblick in Susanne Laus Zeit vor Ort.

ES GEHT LOS! (09. August 2021)

Liebe Interessierte, seit heute Morgen bin ich auf dem Weg Richtung Gambia. Knapp sechs Monate werde ich vor Ort sein und einen Teil meiner Zeit nutzen, um gemeinsam mit unseren Partnern im Landesinneren weitere offene Feuerstellen durch Ziegelsteinöfen zu ersetzen. Von Zeit zu Zeit werde ich hier mit euch meine Eindrücke teilen.

ERSTE EINDRÜCKE (20. August 2021)

Nach knapp zwei Wochen in Gambia habe ich gestern einen unvorhersehbaren Unterkunftswechsel hinter mich gebracht und schätze mich nun sehr glücklich, in einem reizenden Apartment in friedvoller Umgebung mitten in Kololi zu wohnen. Manchmal ist es durchaus dienlich, sich auf den Rat fremder Menschen einzulassen, die einen mit ihrem Hund spontan beim Spaziergang begleiten. Dies ist mein dritter Aufenthalt in Gambia und meine Erfahrung lehrt mich immer wieder, wer das Land wirklich kennen lernen möchte, sollte nicht zu viel planen.

Die ersten Tage meines Aufenthaltes galten der Akklimatisation. Ich bekam nicht genug vom Anblick der pittoresken Sonnenuntergänge entlang der Küste, und das gambische Treiben innerorts und längs des Highways beseelte mich immer wieder. Nach und nach bekomme ich einen tieferen Einblick, was es wirklich für die Einwohner hier bedeutet, dem täglichen Leben nachzugehen – meines Erachtens eine unabdingbare Erfahrung für eine interkulturelle Zusammenarbeit. Einen unserer Öfen habe ich bereits besichtigt. Er wurde um eine Ablage erweitert. Ofen Nummer 8 wurde noch von Janko und Solomon vor meiner Anreise fertig gebaut. Auch habe ich mich bereits mit Janko, Solomon und Bakary zusammengesetzt, um unser weiteres Vorgehen bezüglich eines größeren Ofenbau-Projekts zu besprechen.

Zunächst wird mir in den nächsten Tagen/Wochen gezeigt, wie unsere Ziegelsteinöfen gebaut werden. Ich möchte schließlich mit anpacken. Danach fahren wir alle gemeinsam ins Landesinnere, um dort ein Dorf auszukundschaften, in dem wir weitere Öfen bauen werden. Gerade im Landesinneren wohnen Familien, denen es finanziell nicht möglich ist, ihre offenen Feuerstellen durch einen gesundheitszuträglicheren und weniger Holz verbrauchenden Ziegelsteinofen zu ersetzen. Ich werde berichten!

ANGEKOMMEN! (09. September 2021)

Seit einem Monat lebe ich nun in Gambia – the smiling coast of Africa. Mittlerweile fühle ich mich angekommen. Zwar muss ich mich an manch einem Tag besonderen Herausforderungen stellen und nicht immer erweist es sich als vorteilhaft, alle Hürden hier allein nehmen zu wollen. Aber die Zeit wird mir neue Wege weisen. Gerade als weiblicher Tourist / Volontär wünscht man sich so manches Mal einen Gambiaexperten an die Hand, um nicht an jeder Ecke dazu aufgefordert (gefühlt gezwungen zu werden), z. B. seine Telefonnummer zu hinterlassen, um bedingungslose Unterstützung zu erfahren. So anstrengend ein Spaziergang allein entlang des Strandes auch sein kann; wer in Bijilo am Strand bei Saftbudenbesitzer Aladin unterkommt, kann in völliger Ruhe einen frisch gepressten Fruchtsaft genießen und sich mit Blick aufs Meer in die Farben des Sonnenuntergangs hineinträumen (kleiner Geheimtipp).

Abseits vom Treiben in Serekunda, der heimlichen Hauptstadt Gambias, besuchte ich in den letzten Tagen das Dorf Bintang. Bintang liegt direkt an einem Nebenfluss des Gambia-Flusses im Distrikt Foni (South Bank). Ein grünes Stückchen Erde. Die kühle Brise des Bintang Bolong Flusses sowie die an das Dorf angrenzende Flora – eine Mischung aus Wald und Savanne – boten eine willkommene Abwechslung. Im Dezember und Januar werden hier Austern entlang der Mangroven gesammelt und in den Monaten Juli bis Oktober, während der Regenzeit, werden auf den Feldern Reis und Erdnüsse sowie Obstbäume angebaut. In den extra für die Frauen des Dorfes angelegten Frauengärten kann jede Frau nach ihren Vorstellungen anpflanzen, was sie möchte.

Ferner schaute ich mir mit Bakary, Solomon und Janko alle acht bisher gebauten Öfen an. Nicht alle Öfen konnten aufgrund der Regenzeit genutzt werden, da bei manchen eine Lücke zwischen Schornstein und Wellblechdach bestand, durch die Wasser in den Ofen floss. Wir besserten mit einer dünnen Betonschicht die Lücken aus und alle Öfen können nun wieder einwandfrei zum Kochen verwendet werden. Den Bau des neunten Ofens begleitete ich vier Tage lang. Unsere Partner arbeiten mittlerweile ohne die Hilfe eines Konstrukteurs. Ich finde, die Öfen können sich wirklich sehen lassen. Wir als Verein sind sehr dankbar für das, was Janko, Bakary und Solomon leisten. Ich persönlich zolle ihnen meinen Respekt, bei derartigen Temperaturen einer solch körperlich anstrengenden Arbeit nachzugehen. Mir stand jeden Tag nach 10 Minuten der Schweiß im Gesicht. Und auch die Fahrten hin und zurück zur Arbeitsstätte (die immer wechselt) können hier aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens durchaus zu einem energiezehrenden Unterfangen werden. Unser Auto bedarf dringend einer Lüftung. Auch Seitenfenster, die sich öffnen lassen, wären hilfreich, sollten wir sie irgendwie ausgetauscht bekommen. Wir werden uns in der nächsten Woche um unser Auto kümmern und werden für diese Zeit unsere Arbeit ruhen lassen.

Mittlerweile hat sich etwas herumgesprochen, welche Art von Öfen wir bauen und die Nachfrage nach ihnen wächst. Ich wünsche Bakary, Janko und Solomon, dass sie zukünftig noch für viele Familien gesundheitlich entlastende Öfen bauen können und freu mich, dass wir allen dreien dadurch ein regelmäßiges Einkommen ermöglichen können.

Und ganz wichtig: Musik und Humor dürfen am Arbeitsplatz nicht fehlen! Sweating Nerd (Bakary), Famous Guitarist (Solomon) and Hardcore Ironman (Janko): Together we can!

MANCHMAL KOMMT ES ANDERS, ALS MAN DENKT… (07. Oktober 2021)

Meine letzten drei Wochen hier in Gambia würde ich als recht ereignisreich beschreiben. Zunächst einmal wurde die Abstinenz meines deutschen Sprachgebrauchs durchbrochen, da Besuch aus Deutschland anreiste. Gemeinsam gönnten wir uns an meinem Geburtstag ein Strand-Barbecue und fühlten uns durch die bunte Sonnenuntergangskulisse, Goat-Häppchen, in luftaufgelöste Drinks und Anti-System-Musik animiert, in die Nacht hineinzutanzen. Saftbudenbesitzer und Barbecue-Ausrichter Buba machte mit einem Strauß Blumen auf den letzten Drücker wett, was wett zu machen galt und richtete ein unkonventionell-gemütliches Beisammensein aus. Genau meins.

Die Tage darauf ging es mit der Fähre Richtung North Bank, den Lehrer Tobias Feith (auch aus Mainz und im Sabbatjahr) in einer Schule in Ndungu Kebbe besuchen. Tobi unterstützt mit seiner Gambia AG an seiner Schule den Mainzer Verein Hand In Hand For The Gambia e. V. Ich erhielt die Möglichkeit, in eine Unterrichtsstunde hineinzuschnuppern und mir die Räumlichkeiten der Schule anzuschauen. Ausgerechnet an diesem Tag kam ein plötzlicher Sturm auf, durch den sich ein Teil des Daches im Klassenraum löste. An Unterricht war nicht mehr zu denken. Für die gambische Regierung scheint die Unterstützung der Schulen in der North Bank generell eine besondere Herausforderung darzustellen. Die Schulen in dieser Region sind noch rudimentärer ausgestattet als im Westen Gambias. Umso wichtiger ist es, dass sich Vereine wie Hand In Hand For The Gambia e. V. gezielt für Schulen in der North Bank einsetzen. Durch Tobi habe ich erfahren, dass in einer Schule in Prince (ebenfalls North Bank) die Schulküche aufgrund des starken Sturms im Juli dieses Jahres in Gambia irreversibel beschädigt wurde und gut 400 Kinder zurzeit keine Mahlzeit mehr in der Schule erhalten können – für viele Kinder die einzige Mahlzeit am Tag. Wieder zurück in Serekunda ließ der Zustand der Schulküche in Tobi und mir den Gedanken reifen, unsere Zeit hier vor Ort zu nutzen und alles daran zu setzen, in Prince mit Hilfe eines Spendenaufrufs einen Küchenraum mit Ofen bauen zu können. Die Arbeiten haben bereits begonnen. Sonntag reisen wir nach Prince und werden einen großen Schulküchenofen bauen. Wir alle freuen uns sehr auf das Projekt und sind von Herzen dankbar für die großartige Unterstützung durch unsere gambischen Partner sowie für die rasche finanzielle Mitwirkung aus Deutschland.

Leider mussten wir in den letzten Wochen auch ein unschönes Ereignis verarbeiten. Wir hatten einen Fischer am Strand ausfindig gemacht, mit dem wir einen Angelausflug vor Gambias Küste unternehmen wollten. Vor unserem bildlichen Auge sahen wir einen Barracuda-Fang, den wir abends im Solomons (Tobis Stamm-Restaurant mit Meerblick) zubereiten lassen wollten, um unseren Besuch aus Deutschland zu verabschieden. Doch alles kam anders. Bedauerlicherweise musste unser Fischerboot-Kapitän mit Helfern des Roten Kreuzes den Leichnam eines Jungen Mannes bergen, den wir im Meer während unseres Fishing-Trips entdeckten. Seit zwei Tagen galt der junge Mann als vermisst. Ich habe mir sagen lassen, dass immer wieder gerade junge Einheimische vor der Küste Gambias ertrinken. Zum einen, weil sie nicht schwimmen können und zum andern, weil sie die starke Strömung des Ozeans unterschätzen. Ein wirklich tragischer Fakt, der änderbar wäre. Strandwachen gibt es jedoch nur während der Touristensaison.

Bezüglich unserer Ofenprojekte haben wir bis Anfang der Woche geduldig auf die Beendigung des „Werkstattaufenthalts“ unseres Vereinswagens gewartet, der nun in einem neuen Gewand erscheint. Unser Ofenbauprojekt Nr. 10 wird diese Woche abgeschlossen. Es ist mir ein Anliegen, in meinen Reiseberichten das wahrhaftige Gambia aufzuzeichnen. Was bedeutet, die Schattenseiten des Miteianders hier nicht außenvor zu lassen. Ende letzten Jahres ließen wir in Gambia ein Vereinsauto kaufen, einen VW-Bus. Wir waren dankbar, unser Auto bei einem unserer Partner in einem Compound unterstellen zu können. Uns kam nicht in den Sinn, dass dieser Kauf auch Schattenseiten für die Familie des Compounds birgt. So wollte man unsere Partner dazu überredet, den Wagen abzugeben, um ihn als Buschtaxi zu verwenden und Geld damit verdienen zu können. Ebenfalls wurde der Familie des Compounds plötzlicher Reichtum aufgrund des angeblichen „Autobesitzes“ unterstellt. Dass unser Auto jetzt einen offiziellen Anstrich erhalten hat, beseitigt hoffentlich alle Missverständnisse und sorgt für etwas mehr Frieden in der Region um den Compound herum.

Ich stelle fest, dass meine Reiseberichte von Mal zu Mal an Länge zunehmen. Und es fallen mir noch so viele Momente und Gegebenheiten ein, die ich niederschreiben oder in einen Diskurs bringen möchte/könnte… So schwer ich das Leben der Jungen Menschen hier empfinde – ja, ganz besonders der jungen Menschen (ein weites Feld) – so sehr bewundere ich, und adaptiere auch, dass ein gesunder Mensch eigentlich keinen Grund hat, sich zu beklagen und ein Lächeln wunderbare Verbindungen herstellen kann. Mit diesen Worten schließe ich, lege meinen in Gedanken getränkten Kopf auf die sperrige Liege neben Aladins Saftbude und erfreue mich am Bunt des Sonnenuntergangs.

URLAUB VOM URLAUB (13. November 2021)

Gegen Ende Oktober ging es für meinen Gambia-Mitstreiter Tobi wieder zurück nach Deutschland. Die angeregten Gespräche bei einem Gläschen Rotwein oder einem delikaten Whisky werden mir fehlen. Tobi, wir werden uns in Mainz wiedersehen! Nicht nur, weil du jetzt Mitglied unseres Vereins bist.

Ein Sabbatjahr will genutzt sein. Für mich ging es mit gepacktem Koffer in den Senegal nach Dakar und von dort aus auf die Kapverden. Da ich ein Freund direkter Worte bin (oder einfach stur) – ein bisschen Pott-Mädel wird für immer in mir stecken – kann und will ich dem Senegal als Reiseland nichts Gutes abgewinnen. Somit fasse ich mich kurz: Rassismus, Diskriminierung und Gier widersprechen absolut meiner Persönlichkeitsstruktur. –

Dafür lassen die Vulkaninseln Kapverden kulturvermischungsneugierige Herzen garantiert höherschlagen. Die Vegetation der Inseln entwickelte sich aus mittelmeerischen und westafrikanischen Einflüssen. In Praia, der Hauptstadt Santiagos, pulsiert das Leben. Der Tag beginnt früh und endet gern musikalisch-gesellig bei angenehmen Temperaturen. Fährt man ins Landesinnere, herrschen wesentlich kühlere Temperaturen und die Vegetation offenbart ein sattes Tropengrün vor schöner Bergkulisse. Aber auch hier kann an ungeahnten Orten das Leben ordentlich pulsieren. Ein kleiner Abstecher auf die Insel Maio potenziert wahrscheinlich das Glück eines jeden Honeymoon-Pärchens. Fern ab von jeglichem Trubel gelüstet es hier einem danach, sein eigenes Heile-Welt-Refugium mit Blick auf einen unberührt wirkenden Strand aufzubauen.

10 Tage war ich unterwegs. Meine Vorfreude auf Gambia wuchs recht rasant, nachdem ich wieder senegalesischen Boden betreten musste. Mir ist einmal mehr bewusst geworden, warum mein Herz (u. a.) für Gambia schlägt. Das friedliche und respektvolle Miteinander hier gilt quasi als Selbstverständlichkeit und Rastlosigkeit wird maximal müde belächelt.

Der Verein gedeiht, die Ofenbau-Projekte schreiten voran und es ergeben sich immer wieder neue Wege. Unser Gambia-Team baut derzeit Ofen Nr. 13. Auf einem der Bilder ist unser Neuzugang Musa zusammen mit Solomon zu sehen. Ende des Monats fahren wir nach Tendaba, um dort gleich für drei Familien Öfen zu bauen. Überdies werden wir im Dezember für eine Schule in Kafuta eine Schulküche mit großem Ofen bauen. Wir freuen uns auf dieses besondere Projekt.

TIME FLYS! (16. Januar 2022)

Kaum zu glauben, aber meine Zeit als Volontärin in Gambia neigt sich dem Ende zu. Unser zweites Schulküchenprojekt ist abgeschlossen. Meine Freundinnen aus Deutschland sind abgereist. Ich war ein bisschen hier und da unterwegs und befinde mich gerade in einer Art Resümier-Phase, die Verabschiedung naht. Dankbar blicke ich auf meine Zeit hier zurück, auch wenn ich so manches Mal das Gefühl bekam, man wolle mein Resilienz-Depot auffüllen.

Gambia hat meines Erachtens mit seinen wunderschönen Stränden und der Möglichkeit, in eine unwahrscheinlich friedliche Gesellschaft einzutauchen, absolutes Potenzial, als beliebtes Reiseziel zu gelten. Besonders schön finde ich, dass man Land und Leute kennen lernen kann, ohne die üblichen Touristen-Programme zu buchen. Natürlich bedarf es dafür einer großen Portion Neugier und vor allem Menschenkenntnis. Ich habe mir hier in meiner Zeit ein kleines Netzwerk aufgebaut, wodurch ich mich wirklich zuhause gefühlt habe. Der Weg dort hin war jedoch nicht immer leicht und bis heute finde ich es manchmal schade, dass dieses Land gefühlt gesetzlich verankert hat, wir „Toubabs“ pflückten unser Geld vom Baum und warteten nur darauf, dass Bumsters uns direkt am Strand ehelichen. Mit einem Hang zu liebgemeinten Provokationen hielt ich mir so manches Ehe- oder Freundschaftsversprechen vom Leibe und tauchte ziemlich entspannt, frei von jeglichem Stress, in eine ganz andere friedliche Welt ein. Life is short, live it – without stress!